Enneagramm-Projekt Sommer 2004
an der Fachhochschule für Verwaltung Frankfurt
Persönlichkeitsentwicklung,
Sozial- und Teamkompetenz:
Das Enneagramm in Praxisfeldern
öffentlicher Verwaltungen?
Dozentinnen:
Dr. Gabriele Schaa und Heike Breunig-Bussmann
Das Projekt wurde im Rahmen einer
Wahlpflichtveranstaltung an der Fachhochschule
Frankfurt im Sommer 2004 wie folgt
ausgeschrieben:
In diesem Projekt geht es um den Nutzen eines
Persönlichkeits-konzeptes, das seit einigen
Jahren in Fortbildungen für Angehörige
öffentlicher Verwaltungen erprobt wird und das
sich für die praktische Verwaltungsarbeit zu
bewähren scheint: das Enneagramm. Im Enneagramm
– einem Diagramm, das dynamische Zusammenhänge
darstellt – werden verschie-dene
Persönlichkeitsmuster und Beziehungen zu
einander beschrieben. Dieser Sichtweise werden
Vorteile und Chancen für die Entwicklung von
Persönlichkeits-, Sozial- und Team-kompetenz
zugeschrieben.
Im Projekt sollen die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer
-
sich
mit Grundideen und -aussagen der
Enneagramm-Theorie beschäftigen,
-
das
Enneagramm „erfahren“,
-
eine
Vorstellung entwickeln: „Zu welchem Muster
gehöre ich?“,
-
Beispiele der Anwendung des Enneagramms in
Tätigkeitsfeldern der öffentlichen
Verwaltung kennen lernen,
-
sein (Be)Nutzen
und Missbrauchsmöglichkeiten herausarbeiten.
Ziel des
Projekts:
Beleuchtung und kritische Beantwortung der
Aussage „Das Enneagramm – eine hilfreiche
Typenlehre“ (Wolf / Draf: Leiten und Führen in
der öffentlichen Verwaltung. Ein Handbuch für
die Praxis; München 19995 S.287 f.)
Die Projektgruppe bestand aus 16 Studierenden,
der Professorin, Dr. Gabriele Schaa und mir, der
Enneagrammlehrerin. Das Enneagramm wurde im
Rahmen eines Wahlpflichtfaches angeboten. Das
Projekt hatte einen Zeitrahmen von 64 Stunden,
der Abschluß bildete eine Präsentation des
Emmeagramms in Form einer Ausstellung, die für
die gesamte FH zugänglich war.
Das Projekt war das erste dieser Art an der VFH
in Frankfurt. Es sollte neben der
fachkompetenten Ausbildung eine Möglichkeit für
die Studierenden geschaffen werden,
Persönlichkeitsbildung zu erfahren im Hinblick
auf spätere Führungsaufgaben bzw. um Führungs-
und Leitungspositionen ganzheitlich ausfüllen zu
können. Ebenso sollte die Frage der
Anwendbarkeit des Enneagramms in der Praxis
öffentlicher Verwaltung durch die Projektgruppe
beantwortet werden.
Meine Aufgabe war, das Enneagramm so
vorzustellen, dass ein Anstoß zur
Persönlichkeitsentwicklung, Sozial- und
Teamkompetenz gegeben werden konnte. Dabei
setzte ich voraus, dass das eigene
Enneagrammmuster gefunden und erfahren werden
sollte. Aus diesem Grund entschied ich mich für
eine Lehrmethode „mit allen Sinnen“ (sugesstopädischer
Ansatz).
Am Ende des Projektes erstellte eine
Arbeitsgruppe einen Fragebogen zur
Zielüberprüfung.
Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass
2/3 der Teilnehmer vom Enneagramm erreicht
wurden.
Dabei wurde der persönliche Nutzen des
Enneagramms höher eingestuft, gegenüber dem rein
beruflichen nutzen. Die nachhaltige Wirkung des
Enneagramms wurde als längerfristige Entwicklung
angesehen. Die Empfehlung war, das Enneagramm
sollte über einen längeren Zeitraum vermittelt
werden. Andere Themen wie z.B Subtypen, Stress-
und Trostpunkt, spirituelle Entwicklung konnten
nicht bearbeitet werden.
Das Projekt durch die Brille des Enneagramms:
Ich hatte mit Studierenden zu tun, für die das
Enneagramm völlig unbekannt war.
Unter diesen Voraussetzungen das Enneagramm
erfahr- und erlebbar zu machen mit der
Zielführung eines „Forschungsprojektes“ war
nicht leicht. Hinzu kam der knappe Zeitrahmen.
Ich entschied mich, die Erfahrung der 3 Zentren,
mit all ihren Fühl- und Empfindungsübungen
einzusetzen, bevor Literatur gelesen wurde.
Außerdem wollte ich den Faktor „Neugierde „
nutzen um die Teilnehmer aus ihrem Schneckenhaus
zu locken.
Unsere Gruppe bestand aus 10 Kopf-, 5 Bauch-,
und 2 Herzmuster. Diese Zusammensetzung stellte
sich im Verlauf unserer gemeinsamen Arbeit
heraus. Meine Analyse diesbezüglich erhärtete
sich anhand des Fragebogens, der später von
einem Teil der Gruppe entwickelt wurde..
Hieran sieht man deutlich, dass die
Beziehungsmenschen sich eher nicht für eine
berufliche Laufbahn in der öffentlichen
Verwaltung entscheiden. Oder war das zufällig in
diesem Semester so? Hier hatten wir Menschen,
die Wert auf geregelte Systeme, auf Analyse, auf
Ordnen und auf Sicherheit legen. So die Aussagen
der Studenten über ihre Motivation sich für das
Berufsfeld Verwaltung zu entscheiden. Eine
Teilnehmerin mit dem Herzmuster sah ihr Studium
an der VFH nur als Zwischenphase an. Sie hatte
ganz konkrete Pläne später in die
Tourismusbranche zu wechseln, also mit Menschen
zu arbeiten und viel Abwechslung zu erleben.
Die Gruppendynamik war maßgeblich von den beiden
Zentren Kopf und Bauch geprägt. Das äußerte sich
u.a. durch Fluchttendenzen (weg vom anderen),
„gegen den Strom schwimmen“, Skepsis gegenüber
Übungen, die erfahren werden mussten. Die
Tendenz „auf den anderen zu,“ die
Beziehungstendenz der Herzmenschen, war wenig
spürbar. Das war eine besondere Herausforderung
für mich. Mein Muster 4, mit Subtyp 1:1,
interpretierte Zurückhaltung und Stille anfangs
fälschlicherweise als Desinteresse am Thema und
an meiner Person. Mir fehlte der Spiegel, die
Reflexion. Von einigen Gruppenmitgliedern wurde
die methodische Darstellung des Enneagramms
kritisiert. Sie hätten eine theoretische
Vermittlung und einen stärkeren Literaturbezug
vorgezogen. Andere Teilnehmer, sahen die
Selbsterfahrungsübungen als etwas besonderes an.
Sie hatten sich z.B. in eine dunkle Toilette
zurückgezogen, um ohne äußere Ablenkung die
Wirkung einer Gebetsmühle zu testen. Sie
spiegelten anschließend, wie überrascht sie
waren, was aus ihren tieferen Schichten der
Persönlichkeit nach oben transportiert wurde.
Für mich war dieses Projekt eine große
persönliche und berufliche Bereicherung. Ich
stellte zum ersten Mal das Enneagramm einer
Gruppe „junger „ Menschen vor. Bisher hatte ich
einem Klientel der mittleren Lebensjahre (ab 40)
das Enneagramm nahe gebracht , die aus
Eigeninteresse zum Enneagramm gekommen waren.
Ich musste lernen mich mit meinem eigenen Muster
auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass
nicht Jeder begeistert auf „Sinn- und
Selbsterfahrung „ reagiert. Ich lernte, dass
keine Antwort auch eine Antwort ist und
Schweigen, nicht für alle Schweigen bedeutet.
Ich sah die Ernsthaftigkeit der
Auseinandersetzung mit dem Enneagramm. Eine
Studentin sagte mir nach dem
Typisierungsinterview (Sie hatte Muster 6) :“
Das ist heute mit der schönste Tag in meinem
Leben. Endlich weiß ich, wer ich bin. Meine
Zweifel darüber kann ich mir in Zukunft sparen.“
Wohltuend erlebte ich die Energie von Menschen
mit Muster 8, die durch ihr „Anti“ verhalten
neue Denkimpulse setzten. Musterhaft war die
Situation mit einem Studenten, der sich
irrtümlich im Muster 9 sah und kommentierte :
„Ich beschäftige mich lieber mit Literatur zur
Weiterbildung, als das ich mich weiter in der
Gruppe auseinandersetze“ und lieferte damit eine
Homeage an sein tatsächliches Muster 5.
Eine wichtige Erfahrung war für mich die
Zusammenarbeit mit Prof .Dr. Schaa. Durch
ihre unkomplizierte und freimütige Art (Muster
7) gab sie mir Handlungsspielraum und Vertrauen.
Ich bewunderte ihren Umgang mit
Konfliktpotenzial. Witze übers Enneagramm wären
für mich bis dahin verwerflich gewesen, jetzt
kann ich darüber lachen. Da unsere Muster ab und
zu „zusammenprallten“, mussten wir eine
gemeinsame Lösung finden. So haben wir
stundenlang telefoniert um unsere Unterschiede,
wie Schwarz und Weiß, in ein kariert zu
verwandeln.
Zum Abschluß des Projektes wurde das Enneagramm
in einer professionellen Ausstellung
präsentiert. Die Idee dazu kam von der
Arbeitsgruppe Präsentation.
Bis eine Woche vor dem Termin wurde die
Ausstellung als strenges Geheimnis gehütet.
(Mustergültig) hat mich die Ausstellung
begeistert. Nachgezeichnete Karrikaturen aus
Eric Salmons Buch und meine eigenen Zeichnungen
aus dem Unterricht prangten an den
Ausstellungswänden. Einige Studenten brachten
ihre Freunde mit und mit besonderer Freude
konnten wir auch Dozenten der Fachhochschule
begrüßen.
Heike Breunig-Bußmann



Bilder aus der Abschlusspräsentation an der
Fachhochschule für Verwaltung Frankfurt am Main |